Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben: Dies ist ein Ausdruck persönlicher Autonomie, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen in der Sterbebegleitung in den Krankenhäusern, Psychiatrien sowie Einrichtungen für Senioren und Menschen mit Behinderung der St. Augustinus Gruppe hat das Ethikkomitee des Unternehmens ein wegweisendes Positionspapier mit dem Titel „Sterbewünsche zwischen Autonomie und Lebensschutz“ erarbeitet. Es stellt die Haltung der St. Augustinus Gruppe zu Fragen am Lebensende – hier speziell zum Assistierten Suizid – dar. Denn in unseren verschiedenen Einrichtungen begegnen uns nahezu täglich Sterbewünsche, und als St. Augustinus Gruppe werden wir immer wieder nach unserer Position zum Assistierten Suizid gefragt. Auf dieser Website erklären wir unsere Haltung und stellen dabei klar:

  • Wir lassen Sterbende nicht allein
  • Wir lassen Sterbewillige nicht allein
  • Wir lassen Niemanden allein

Das Positionspapier liegt in einer Lang- und einer Kurzfassung vor. Beide Handreichungen sind Hilfestellung und Handlungsempfehlung für Mitarbeitende, denen sich Patienten, Klienten oder Bewohner mit einem Sterbe- oder Suizidwunsch anvertrauen. Auch Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit stellen wir unsere Sicht auf die Herausforderungen am Ende des Lebens dar.

Im Bereich „Fragen und Antworten“ gehen die Autoren des Positionspapiers und Mitglieder des Ethikkomitees direkt auf Fragestellungen ein, die sich im Arbeitsalltag ergeben.

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Häufig gestellte Fragen

Wir beantworten Ihre Fragen zum Positionspapier zum Assistierten Suizid

Allgemeine Fragen zur Entstehung des Positionspapiers

Das Positionspapier und die Aussagen gefallen mir sehr gut! Wie lange hat das Ethikkomitee denn daran gearbeitet? Mit wie vielen Leuten?

Die Ausarbeitung des Papiers dauerte ungefähr ein Jahr. Die Inhalte wurden breit in die Mitarbeiterschaft getragen, sehr intensiv diskutiert und von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlichster Hierarchieebenen erörtert. Das Ethikkomitee besteht aus knapp 20 Menschen und ist sehr froh, so viele Rückmeldungen und positives Feedback zum Positionspapier erhalten zu haben.

Wann wird denn das neue Gesetz zum Parargafen 217 mit Hinweisen zum Assistierten Suizid erwartet?

Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages befasst sich Ende November 2022 mit den vorliegenden Gesetzentwürfen. Mit einem Inkrafttreten des novellierten Gesetzes rechnen Fachleute nicht vor Frühjahr 2023.

Wenn Sterbevorhaben wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung dort von Klienten durchgeführt werden können, dürfte ich (wenn mich der Klient darum bittet) trotzdem dabei sein?

Ja! Sollte es trotz aller Bemühungen und Hilfestellungen im privaten Wohnraum innerhalb unserer Einrichtung zu einem Assistierten Suizid kommen, dann wollen wir dem Bewohner auch weiter mit Fürsorge und Zuwendung beistehen. Es ist die autonome Entscheidung des einzelnen Mitarbeitenden, ob er dem Bewohner oder Klienten während der Suizidhandlung beistehen möchte. Mitarbeitende, die den ihnen anvertrauten Menschen in der letzten Lebensphase beistehen, droht keinerlei Sanktion, aber sie dürfen eben nicht aktiv am Assistierten Suizid mitwirken.

Konkrete Fragen zum Assistierten Suizid

Was mache ich (ganz konkret in der Situation) wenn ein Bewohner/Klient/Patient mir seinen Wunsch zum Assistierten Suizid mitteilt?

Ich höre ihm zu, nehme ihn ernst und bleibe gesprächsbereit. Ich informiere meinen Vorgesetzten bzw. das Team.

Muss ich meine Führungskraft informieren, wenn ein Bewohner/Klient/Patient seinen Wunsch nach einem Assistierten Suizid äußert? Wenn ja in welchem Zeitraum?

Der oder die Vorgesetzte muss in jedem Fall zeitnah informiert werden.

Was muss ich als Führungskraft tun, wenn ich Kenntnis von einem geäußerten Wunsch nach einem Assistierten Suizid bekomme?

Ich bespreche die Situation im Team und kläre, wer aus dem Team mit dem Bewohner/ Klienten/Patienten bezüglich seines Wunsches im Gespräch bleibt. Gegebenenfalls suche ich externe Unterstützung, zum Beispiel durch die Seelsorge, durch Mitglieder des Ethikkomitees oder durch Psychologen bzw. Psychologinnen über die Fachkliniken.

Was kann ich tun, wenn unklar ist, ob dieser Wunsch des Bewohners/Klienten/Patienten freiverantwortlich ist?

Wenn Zweifel an der Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches bestehen, muss immer ein Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie hinzugezogen werden.

Gibt es bei einem sterbewilligen Bewohner/Klienten/Patienten eine bessere Besetzung für den Arbeitsbereich?

Eine bessere Besetzung für den Arbeitsbereich ist nicht möglich. Betroffene Teams haben die Möglichkeit entlastende Unterstützungsangebote zu nutzen. Beispielsweise stellen wir den Mitarbeitenden seelsorgerische und psychologische Unterstützungsangebote zur Verfügung. Für betroffene Teams werden darüber hinaus Angebote zur Supervision gemacht.

Wer entscheidet, ob alle Alternativen zum Assistierten Suizid ausgeschöpft sind?

Jeder Betroffene entscheidet selbst, ob und welche unserer Unterstützungsangebote er annimmt. Es ist unsere Überzeugung, dass eine würdevolle Gestaltung des Lebens bis zuletzt möglich ist.

Darf ich als Mitarbeiter während eines Assistierten Suizids bei einem Bewohner/Klienten/Patienten bleiben, wenn er und ich das wollen? Welche Konsequenzen hat meine Entscheidung für mich?

Es ist die autonome Entscheidung jedes einzelnen Mitarbeitenden, ob er einem Bewohner/Klienten/Patienten auch während der Assistierten Suizidhandlung beistehen möchte. Beistehen bedeutet hier eine liebevolle Sterbebegleitung; genauso, wie wir uns das bei jedem Menschen in seiner letzten Lebensphase wünschen. Mitarbeitende haben keine Sanktionen zu befürchten; egal ob sie die Betreuung von suizidwilligen Bewohnern/Klienten/Patienten während der Assistierten Suizidhandlung ablehnen oder ob sie sich entscheiden, ihnen bis zuletzt im oben genannten Sinne beizustehen. Eine aktive Mitwirkung an dem Akt der Suizidassistenz dagegen ist Mitarbeitenden im Rahmen ihrer dienstlichen Verpflichtungen nicht gestattet.

Fragen zu lebensbejahenden Gesprächen

Wie führe ich ein lebensbejahendes Gespräch, ist das eine besondere Kommunikationstechnik?

Unter lebensbejahender Beratung verstehen wir, dass wir Hilfestellungen für ein Weiterleben in besonders schwierigen Lebenssituationen anbieten (Ausführungen dazu siehe Positionspapier, S. 7). Es ist keine besondere Kommunikationstechnik.

Darf jeder Mitarbeiter mit dem Bewohner/Klienten/Patienten ein lebensbejahendes Gespräch führen oder nur ein speziell ausgebildeter?

Jeder Mitarbeiter darf lebensbejahende Gespräche führen.

Fragen zum Umgang mit Sterbehilfeorganisationen

Darf ich auf Bitte des Bewohners/Klienten/Patienten einen Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation vermitteln?

Nein. Wir beteiligen uns weder an der Organisation noch an der Durchführung eines Assistierten Suizids.

Welche alternativen Angebote zum Assistierten Suizid können wir einem sterbewilligen Menschen machen?

Alternativ bieten wir Hilfestellungen für ein Weiterleben in besonders schwierigen Lebenssituationen an (s. Positionspapier, S.7).

Wie gehen wir damit um, dass manche Sterbewillige ihren Wunsch aufgrund körperlicher Einschränkungen gar nicht selbstständig umsetzen können, z. B. bei Lähmung?

Wir beteiligen uns weder an der Organisation noch an der Durchführung eines Assistierten Suizids. Soweit die Bewohner/Klienten/Patienten es wünschen und zur Informationsbeschaffung selbst nicht in der Lage sind, geben wir Informationen zu weiteren Beratungsmöglichkeiten innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Zum jetzigen Zeitpunkt (November 2022) steht eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe durch den Bundestag noch aus.

Was mache ich, wenn ein Vertreter einer Sterbehilfeorganisation in unser Haus zu einem Bewohner/Klienten/Patienten möchte?

Anfragen von Sterbehilfeorganisationen für werbende Maßnahmen werden in unseren Einrichtungen unterbunden. In den somatischen und psychiatrischen Kliniken wird auch der Zutritt einer Sterbehilfeorganisation unter Ausübung des Hausrechts unterbunden. In den privaten Wohnräumen der Behinderten- und Seniorenhilfe respektieren wir die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Wie erfahre ich davon, dass ein Bewohner/Klient/Patient Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation aufgenommen hat?

Ob und wie ein Bewohner/Klient/Patient seine Kontaktaufnahme zu einer Sterbehilfeorganisation mitteilt, liegt allein in seiner Entscheidung. Die Wahrnehmung einer solchen Kontaktaufnahme gibt Anlass, auf den Bewohner/Klienten/Patienten zuzugehen und unser Angebot der seelsorgerischen und psychosozialen Betreuung zu intensivieren. Unsere Bemühungen gehen dahin, Alternativen zu einem Suizid aufzuzeigen und zu ermöglichen. Bei Konkretisierung eines Wunsches zur Durchführung eines Assistierten Suizids ist die Veranlassung einer Ethischen Problembearbeitung verpflichtend.

Fragen zu Unterstützungsangeboten und Weiterbildungen für Mitarbeitende

Welche Hilfestellung für mich als Mitarbeiter gibt es?

Wir wollen unsere Mitarbeitenden bestmöglich vor psychischer Überlastung im Umgang mit Sterbewilligen schützen. Wir stellen den Mitarbeitenden seelsorgerische und psychologische Unterstützungsangebote zur Verfügung. Für betroffene Teams werden darüber hinaus Angebote zur Supervision gemacht.

Kann ich die Klinikseelsorge auch für mich als Mitarbeiter um Hilfe bitten?

Ja. Die Kontaktdaten für die Klinikseelsorge sind an den jeweiligen Telefonzentralen der Einrichtungen hinterlegt und können erfragt werden.

Wird die palliative Versorgung in unserem Unternehmen ausgebaut?

Obwohl es schon Angebote zur hospizlichen und palliativmedizinischen/-pflegerischen Versorgung in unserem Unternehmen gibt, sind diese bisher nicht in allen Einrichtungen in ausreichendem Maße verfügbar. Deshalb gibt es – in den einzelnen Unternehmensbereichen bzw. Einrichtungen in unterschiedlichem Ausmaß – durchaus Bedarf für einen weitergehenden Ausbau und für eine Intensivierung der Vernetzung dieser Angebote.   

Welche palliativen Kompetenzen haben wir bereits, bzw. werden bereits vermittelt?

Außer der Abteilung für Palliativmedizin am Johanna Etienne Krankenhaus, dem Augustinus Hospiz, dem ambulanten Hospizdienst Cor unum und einer hohen Rate an Mitarbeitenden mit Weiterbildung in palliative care Pflege gibt es verschiedene innerbetriebliche Fortbildungsangebote (siehe IBF-Katalog).

Warum soll eine ethische Fallbesprechung/Problembearbeitung bei der Thematik zum Assistierten Suizid hilfreich sein?

Die Möglichkeit einer Ethischen Fallbesprechung / Problembearbeitung unterstützt die Mitarbeitenden bei der Begleitung und Betreuung von sterbewilligen Menschen und soll den Mitarbeitenden Sicherheit für das weitere Vorgehen geben.

Kontakt

Sie fragen - wir helfen

Dr. Franz-Josef Esser

Projektleiter SAPV Rhein-Kreis Neuss, Vorsitzender des Ethikkomitees, Geschäftsstelle Ethikkomitee

St. Augustinus Gruppe

02131 529 79968
FJ.Esser@ak-neuss.de